Warum gibt es im Mittelstand immer noch so viel Unternehmen, die kein Employer Branding betreiben und im Recruiting verharren? Einer der Gründe: Unternehmen kommen nicht raus aus ihrer Komfortzone. Sie wissen nicht, wie sie’s anfangen sollen, haben Angst vor Neuem, Abteilungen fühlen sich wohl in ihren Silos und scheuen die Verantwortung. Denn Employer Branding bedeutet Arbeit. Aber eine Arbeit, die sich lohnt, nicht nur in Form von Recruiting-Erfolgen und besserer Mitarbeiterbindung, sondern in Form von echter Wertschöpfung im Unternehmen. Ein Plädoyer.
Was ist das eigentlich, diese Komfortzone?
In unserer Komfortzone fühlen wir uns wohl. Wir tun das, was wir immer tun und was wir gut können. Eine gewisse Routine stellt sich ein. Wir fühlen uns sicher. Das ist ohne Frage ein tolles Gefühl. Aber es limitiert uns. Denn es bedeutet auch Stillstand. Und Stillstand kommt in einer Welt, die sich immer schneller ändert, einem Rückschritt gleich.
Das gilt für Unternehmen genauso wie für die Menschen, die darin arbeiten. Geschäftsführer hetzen von einem Meeting zum nächsten Geschäftstermin. Personaler sind gefangen im täglichen Trott aus Lohnbuchhaltung, Verträgen und Recruiting. Und die Marketingabteilung kümmert sich tagein tagaus ums B2B-Marketing. Keine Chance fürs Vordenken.
Was aber hält uns ab, uns aus der Komfortzone zu bewegen und neue Dinge zu tun oder gewohnte Dinge anders zu machen? Was hält den Mittelstand davon ab, in Employer Branding und eine professionelle Arbeitgeberkommunikation zu investieren? Was hindert Unternehmen am Machen?
Das sind die Top 5 aus meiner Beobachtung:
- „Brauchen wir nicht, haben wir schon.“ > Verständnis
- „Wir haben dafür keine Zeit, keine personellen Kapazitäten.“ > Zeit
- „Wir haben dafür kein Geld, keine finanziellen Ressourcen.“ > Geld
- „Das ist nicht meine Aufgabe.“ > Verantwortung
- „Wir wissen überhaupt nicht, wie das geht.“ > Know-how
Das sind Ausreden. Es steckt sicherlich (fast) überall ein Fünkchen Wahrheit drin, aber es gibt für alle fünf Punkte zwingende Gegenargumente. Und das macht die Ausreden zu faulen Ausreden.
Also gehen wir den Weg, raus aus der Komfortzone, rein ins Employer Branding:
Das Missverständnis um Employer Branding
Sie posten Ihre Stellenanzeigen auf den Jobbörsen von yourfirm, dem BVMW oder der IHK? Prima! Aber das allein ist noch lange kein Employer Branding. Das ist zunächst einmal Recruiting. Sie nehmen jedes Jahr am Girls‘ Day oder Boys‘ Day teil und zeigen jungen Menschen Ihren Arbeitsbereich? Klasse! Aber auch das bleibt zunächst eine operative Einzelmaßnahme im Personalmarketing.
Employer Branding geht wesentlich tiefer. Im Employer Branding entwickeln Sie ein Versprechen an Ihre Mitarbeiter und Bewerber, was sie von Ihnen als Arbeitgeber erwarten können. Gleichzeitig verpflichten Sie sich, dieses Versprechen Tag für Tag zu erfüllen. Ihre Arbeitgebermarke ist das strategische Dach für die (Weiter-) Entwicklung Ihres Unternehmens als Arbeitgeber und für Ihre Arbeitgeberkommunikation – ob in Stellenanzeigen, während der Girls‘ und Boys‘ Days, auf Ihrer Karriere-Website oder auf Instagram und Co. Sie gibt Inhalt und Emotion vor, sorgt dafür, dass sich Ihre verschiedenen Maßnahmen zur Ansprache der Bewerber gegenseitig unterstützen und sich auf die überzeugendsten Botschaften, Ihre Stärken als Arbeitgeber, konzentrieren.
Machen Sie das wirklich? Laut einer unveröffentlichten Studie von Trendence haben nur 12 Prozent der mittelständischen Unternehmen bis 1.000 Mitarbeiter eine Employer Value Proposition, also ein Arbeitgeberversprechen, definiert. Oder anders ausgedrückt: 9 von 10 Mittelständlern betreiben kein Employer Branding und vergeben damit wertvolles Potenzial.
Employer Branding ist eine Investition, kein Kostenfaktor
Welches Potenzial sie vergeben zeigt das Mittelstandsbarometer von EY. Mehr als 50 Milliarden Euro Umsatz gehen dem deutschen Mittelstand nach Schätzungen der Wirtschaftsprüfer jedes Jahr aufgrund des Fachkräftemangels verloren, weil sie wegen fehlender Mitarbeiter Aufträge ablehnen müssen. Es ist aber nicht nur der laufende Umsatz, der den Unternehmen verloren geht. Der Fachkräftemangel führt laut DIHK-Arbeitsmarktreport 2018 dazu, dass die Innovationskraft des Mittelstands sinkt – und damit auch der künftige Umsatz.
Auf der anderen Seite belegen zahlreiche Studien, dass sich Employer Branding positiv auf die Wertschöpfung im Unternehmen auswirkt. Es erleichtert das Recruiting und erhöht die Mitarbeiterbindung – damit gibt es mehr Personal, das für Umsatz sorgt. Employer Branding erhöht aber auch die Mitarbeitermotivation und damit die geleistete Arbeit und das Betriebsergebnis. (siehe dazu DEBA)
Die Grundlagen der Arbeitgebermarke zu entwickeln, ist eine einmalige Investition: Stärken analysieren, Markenkern definieren, Kommunikationsplan aufsetzen, Basis-Material erstellen, von der Karriere-Website über Arbeitgebervideos bis hin zum Grundgerüst für Stellenanzeigen und Messeauftritte. Nach dieser Startphase geht Employer Branding ins Tagesgeschäft über.
Diese Basis hat mehrere Jahre Bestand, sofern sich das Unternehmen durch einen Change-Prozess nicht gravierend verändert. Ungefähr alle fünf Jahre sollten Sie Ihr Versprechen überprüfen, weiterentwickeln und aktualisieren.
Der beste Zeitpunkt für Employer Brading ist jetzt
Der Arbeitstag hat im Regelfall nur acht Stunden und die Woche fünf Arbeitstage, die alle vollgestopft sind mit Routineaufgaben, vollgestopft mit Komfortzone. Sie verschieben Employer Branding lieber auf später, wenn mal mehr Zeit ist. Ganz ehrlich: Dieser Zeitpunkt wird nie eintreten. Wenn Sie länger warten, verschaffen Sie Ihren Konkurrenten einen unnötigen Vorteil im Wettbewerb um die besten Talente. Diesen Vorsprung wieder aufzuholen, kostet Sie nachher nur mehr Energie und Ressourcen.
Es ist keine Frage von vorhandener Zeit, sondern vielmehr eine Frage der Priorisierung, um das Projekt Employer Branding zu starten. Nach der Startphase wird es Sie bei allem begleiten, was Sie tun. Sie erinnern sich: Der Fachkräftemangel kostet den Mittelstand pro Jahr über 50 Milliarden Euro Umsatz. Welches Argument wiegt da schwerer?
Und: Sie müssen nicht alles alleine machen. Holen Sie sich Unterstützung von außen. Sie müssen natürlich trotzdem noch Zeit investieren: in die Auswahl von Dienstleistern, in gute Briefings, in Workshops, in Abstimmungen und in Entscheidungen. Aber dieser Aufwand lässt sich bewältigen und lohnt sich!
Mit Employer Branding Silos aufbrechen
Aber von wem muss dieser Aufwand bewältigt werden? Wer ist in der Verantwortung? Employer Branding ist Teamaufgabe. Die Geschäftsführung muss dahinterstehen, denn es geht um den Kern und die Seele des Unternehmens als Arbeitgeber. Gleichzeitig müssen HR- und Kommunikations- bzw. Marketing-Abteilung das Projekt tragen – schließlich geht es um Arbeitgeber und Mitarbeiter (Employer) und Marke und Kommunikation (Branding).
Das bedeutet aber auch: Die Silos zwischen den Abteilungen, die in vielen mittelständischen Unternehmen (aber nicht nur da!) noch existieren, müssen aufgebrochen werden. Die Abteilungen müssen miteinander arbeiten, nicht gegeneinander. Denn es hilft am Ende allen: Eine starke Marke und Kommunikation machen das Recruiting effizienter und die Mitarbeiterbindung stärker. Und ein starkes Arbeitgeberimage strahlt auch positiv auf die Unternehmens- und Produktmarke ab.
Im Employer Branding geht es darum, seinen Bewerbern und Mitarbeitern ein Versprechen zu geben – und dieses Versprechen auch zu halten. Immer wieder. Das ist Arbeit. Harte Arbeit. Nehmen Sie diese Verantwortung an! Sie müssen Sie nicht allein tragen, denn auch das ist Teamarbeit, vor allem von Personalabteilung und Führungskräften. Sie sind es, die Kultur und Werte vorleben und das Miteinander prägen. Als Personaler lenken Sie und stellen die harten Arbeitgeberleistungen sicher. Als Kommunikator sorgen Sie dafür, dass alle Mitarbeiter und potenziellen Bewerber erfahren, was Ihr Unternehmen zu bieten hat.
Employer-Branding-Know-how an Bord holen
Sie wissen überhaupt nicht, wie das geht, eine Arbeitgebermarke aufzubauen?
Employer Branding ist kein Hexenwerk. Es gib viele gute Bücher und Kurse, mit denen Sie sich das Grundlagenwissen draufschaffen können, aber das erfordert Durchhaltevermögen. Einfacherist es, sich einen guten Berater zu suchen, eine Agentur oder einen Freelancer. Er oder sie begleitet Sie durch die ersten Schritte des Employer Brandings, unterstützt Sie bei der strategischen Ausrichtung und der operativen Umsetzung.
Ein weiterer Vorteil: Als Geschäftsführer, Personaler oder Kommunikator sind sie selbst Mitarbeiter im Unternehmen – und damit manchmal blind für das Offensichtliche oder haben Berührungsängste mit sensiblen Themen. Externe Unterstützer betrachten Ihr Unternehmen objektiv, legen auch mal den Finger in die Wunde und haben vor allem den Abstand zum Unternehmen, um den Kern des Arbeitgebers zu erkennen und die Perspektive potenzieller Bewerber unvoreingenommen einzunehmen.
Employer Branding geht nach der anfänglichen Definition der Marke und Planung der Aktivitäten ins Tagesgeschäft über, fließt ein in die Aktivitäten des Recruitings, des Personalmarketings, der internen Kommunikation, der externen Kommunikation und der Unternehmensentwicklung. Alles Wissen, was Sie in der Startphase angesammelt haben, können Sie jetzt anwenden – und sich trotzdem Externe als Sparringspartner oder als operative Umsetzer dazu holen.
Die Belohnung fürs Verlassen der Komfortzone
Das Verlassen der Komfortzone hat positive Effekte nicht nur auf die beteiligten Personen, sondern auf die ganze Organisation.
Wenn wir aus der Komfortzone herauskommen, gelangen wir in die Lernzone. Wir lernen Neues, wir entwickeln uns weiter. Das bedeutet Stress, klar. Aber positiven, anregenden Stress – Eustress. Das erhöht unsere Leistungsfähigkeit. Das Argument gegen das Verlassen der Komfortzone, wir hätten zu wenig Zeit, nivelliert sich damit. Nicht nur das. Wir erleben das Neue viel intensiver und das bringt eine ganz andere, neue Freude an der Arbeit. Und das bringt Erfolge. Die wiederum sind für die eigene Karriere und Profilierung wichtig.
Und für Organisationen? Auch Unternehmen entwickeln sich weiter, wenn sie ihre Komfortzone verlassen. Employer Branding zwingt Unternehmen, sich permanent damit auseinanderzusetzen, ob sie ihr Versprechen gegenüber ihren Mitarbeitern halten, sich ständig zu verbessern, ständig auf die Bedürfnisse ihrer Kollegen zu schauen und gut zu kommunizieren. Das macht sie nicht nur zu einem besseren Arbeitgeber, sondern erhöht Recruiting-Erfolge und am Ende des Tages auch die Leistung aller Mitarbeiter und damit des Unternehmens.
Also, worauf warten Sie noch?
Foto: Travelnow or crylater via Unsplash